Hallo ihr Lieben,
es gibt immer wieder Bücher, zu denen ich nicht so viel schreiben kann, dennoch sollten sie hier auf dem Blog nicht unerwähnt bleiben. Für solche Bücher habe ich mir Kurz notiert überlegt. Ich werde hier immer zwei Bücher zu einem Thema kurz besprechen.
Heute gibt es zwei Kurzbesprechungen zu zwei gelesenen Dystopien, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Dystopien lese ich sehr gerne und so war ich zweimal überrascht nach dem Lesen. Wenn ihr wissen möchtet, um welche beiden es sich handelt, müsst ihr weiter lesen.
Hao Jingfang – Peking falten
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Klappentext von der Verlagsseite
Peking, in der Zukunft: Um den knapp bemessenen Raum möglichst effizient zu nutzen, wurde die Stadt in drei Sektoren unterteilt, die sich mittels einer raffinierten Konstruktion platzsparend drehen, in der Erde versenken und zusammenfalten lassen. Nach einem strengen Plan wird immer nur ein Sektor entfaltet, damit die Menschen darin ihren Tätigkeiten nachgehen können. Ein Kontakt über die Sektorengrenzen hinweg ist untersagt.
Lao Dao, Arbeiter in einer Müllentsorgungsanlage im Dritten Sektor, übernimmt einen abenteuerlichen Botengang in die abgeschirmte Erste Zone – und entdeckt ein düsteres Geheimnis hinter den faltbaren Mauern dieser schönen neuen Welt.
Mit ihrer beklemmenden Dystopie eines künftigen urbanen Lebens gewann Hao Jingfang 2016 den international renommierten Hugo Award für Science-Fiction in der Kategorie «Best Novelette».
Hao Jingfang, geboren 1984, gewann bereits 2002 ihren ersten Literaturpreis. Doch den Studienplatz, den ihr die Chinesisch-Fakultät der Peking-Universität reservierte, lehnte sie ab. Stattdessen studierte sie Physik und machte ihren Ph.D. in Wirtschaftswissenschaften. Seit 2006 publiziert sie regelmäßig in chinesischen Zeitschriften und arbeitet inzwischen beim Thinktank China Development Research Foundation.
Ihre unterschiedlichen Wissensbereiche kommen in ihrem Schreiben aufs Fruchtbarste zusammen: Für ihre Erzählung «Peking falten» erhielt sie 2016 den Hugo Award, einen der wichtigsten Preise für Science-Fiction-Literatur – nach «Die drei Sonnen» von Bestsellerautor Cixin Liu erst der zweite Text aus China, dem das gelang. Hao Jingfangs Bücher verkauften sich in China über eine Million Mal.
Meinung:
In “Peking falten” sind wir 50 Jahre in der Zukunft. Die Stadt, in der mittlerweile 80 Millionen leben, ist in drei Sektoren unterteilt, die jeweils nur einen begrenzten Zeitraum aufgefaltet werden.
Die Novellette, so der Name der Gattung, ist verstörend und beängstigend. Erzählt sie doch von Überwachung, Repressalien, dem ewigen Streben nach mehr Macht, mehr Ökonomie, dem Konformismus und der Regelhaftigkeit Chinas. Sie überspitzt es, aber sie beschreibt nicht die Zukunft, sondern das gegenwärtige China, das immer mehr in einen Überwachungsstaat wird. Gut auch zu sehen an den Sektoren, die Elite im Sektor eins hat 24 Stunden Sonnenlicht und hat ein Leben im Überfluss, der zweite Sektor 16 Stunden Sonnenlicht und bildet die Mittelschicht ab, hinzukommt der dritte Sektor, die Arbeiterklasse mit acht Stunden Leben aber nicht mit Sonnenlicht, sondern in der Dunkelheit bei künstlichem Licht. Abgeschoben, keine Chance zum Aufstieg und mit mehr als 50 Millionen, die größte Gruppe, die auf engstem Raum lebt.
“Peking falten” ist ein kritisches, ein ernstes Buch, das überspitzt die Gegenwart in China beschreibt mit Charakteren, die einem selbst auf den wenigen Seiten der Novelette nahe sind.
Bibliografische Angaben
Autor: Jingfang, Hao Übersetzer: Vandenberg, Jakob Titel: Peking falten Originaltitel: Folding Beijing Reihe: — Band: — Seiten: 79 ISBN: 978-3-644-40503-5 Preis: 1,99 € (E-Book) Erschienen: 21.08.2018 bei Rowohlt Rotation
Sibylle Berg – GRM Brainfuck
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Klappentext von der Verlagsseite
»Vermutlich war der Einzelne schon immer unwichtig. Es fiel nur weniger auf.«
Die Brave New World findet in wenigen Jahren statt. Vielleicht hat sie auch schon begonnen. Jeden Tag wird ein anderes westliches Land autokratisch. Algorithmen, die den Menschen ersetzen, liegen als Drohung in der Luft. Großbritannien, wo der Kapitalismus einst erfunden wurde, hat ihn inzwischen perfektioniert. Aber vier Kinder spielen da nicht mit – sondern gegen die Regeln. Und das mit aller Konsequenz. Willkommen in der Welt von GRM.
Sibylle Bergs neuer Roman beginnt in Rochdale, UK, wo der Neoliberalismus besonders gründliche Arbeit geleistet hat. Die Helden: vier Kinder, die nichts anderes kennen als die Realität des gescheiterten Staates. Ihr Essen kommt von privaten Hilfswerken, ihre Eltern haben längst aufgegeben. Die Hoffnung, in die sie sich flüchten, ist Grime, kurz GRM. Grime ist die größte musikalische Revolution seit dem Punk. Grime bringt jeden Tag neue YouTube-Stars hervor, Grime liefert immer neue Role-Models.
Als die vier begreifen, dass es zu Hause keine Hoffnung für sie gibt, brechen sie nach London auf. Hier scheint sich das Versprechen der Zukunft eingelöst zu haben. Jeder, der sich einen Registrierungschip einpflanzen lässt, erhält ein wunderbares Grundeinkommen. Die Bevölkerung lebt in einer perfekten Überwachungsdiktatur. Auf der Straße bleibt nur der asoziale, vogelfreie Abschaum zurück. Die vier Kinder aber – die fast keine Kinder mehr sind –, versuchen außerhalb des Systems zu überleben. Sie starten ihre eigene Art der Revolution.
Sibylle Berg lebt in Zürich. Ihr Werk umfasst 25 Theaterstücke, 14 Romane und wurde in 34 Sprachen übersetzt. Berg fungierte als Herausgeberin von drei Büchern und verfasst Hörspiele und Essays. Sie erhielt diverse Preise und Auszeichnungen, u.a. den Wolfgang-Koeppen-Preis (2008), den Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis (2016), den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor (2019) sowie den Thüringer Literaturpreis (2019).
Meinung:
Ich mag die Interviews mit Sibylle Berg, aber mit ihrem Schreibstil in ihrem vom Feuilleton der Printpresse hochgelobten “GRM. Brainfuck” bin ich entsetzt. Was für eine grässliche Sprache. Zugegeben zu Rochdale, dessen skandalöser Geschichte, passt die Sprache. Aber fast jeder Satz tut mir in den Ohren weh. Sprachlich, grammatikalisch und auch stilistisch ist es eine Zumutung.
Ich habe mich durch die 640 Seiten gequält. Ja, gequält, stellenweise gibt es Lichtblicke in dem Buch, nicht sprachlicher Natur, dies wirklich nicht, aber durch die Gestaltung der Figuren und den Spannungsaufbau zu Beginn. Zu dem Zeitpunkt zieht das Buch einen noch in den Bann und man möchte es eigentlich immer wieder zuklappen und weglegen, weil es wie ein Unfall anmutet, aber man schafft es nicht. So ging es auch mir. Aber irgendwann nahm die Verrohrung der Sprache. Sicherlich mit viel Wut auf die Männer und ihr Treiben. Feminismus muss auch nicht leise sein, sicherlich nicht, sondern laut und deutlich, aber auch mit dieser derben und proletenhaften Sprache? Zunehmend fiel es mir schwerer das Buch zu lesen, da es völlig ohne Kapitelüberschriften und Interpunktion auskommt.
War ich zu Beginn noch neugierig auf das Fortschreiten der Handlung, so wurde es für mich nach immer mehr Seiten immer öder und zäher. Es gab keine Entwicklung bei den Personen, ich fieberte nicht mehr mit ihnen, was mir für ein gutes Buch sehr wichtig ist. Ich liebe Entwicklungen von Personen, sei es hin zum Guten oder Schlechten. Hauptsache sie entwickeln sich, aber wenn es alles ein dröger grauer und nicht mehr zu durchdringender Einheitsbrei an Wut, Qual, Gewalt und Hass wird, dann ist es für mich unerträglich und hat für mich nichts mehr mit Literatur zu tun. Für mich, persönlich, dies ist alles meine persönliche Meinung und mein Empfinden, ein grauenvoller Roman. Ohne Lichtblick, nur Hass und Wut.
Bis jetzt weiß ich noch nicht, ob ich das Buch als Dystopie einordnen sollte, oder ob Berg es als Gesellschaftskritik versteht. Für mich ist es ein Mischmasch aus beidem: beißender und oft der Wahrheit entsprechende Kritik an der europäischen Gesellschaft und düstere Zukunftsaussichten bis hin zur Dystopie.
Bibliografische Angaben
Autor: Berg, Sibylle Übersetzer: — Titel: GRM. Brainfuck Originaltitel: — Reihe: — Band: — Seiten: 640 ISBN: 978-3-462-05143-8 Preis: 25,00 € (Pappband) Erschienen: 11.04.2019 bei Kiepenheuer & Witsch
Das waren sie nun die beiden Kurzbesprechungen aus dem Bereich Klassiker. Ich hoffe, dass ich euch unterhalten habe und freue mich euch bald wieder hier begrüßen zu können.