[Buchbesprechung] Jana Revedin – Flucht nach Patagonien

Moin Moin,

selten ist es mir so schwergefallen eine Besprechung zu schreiben, wie bei “Flucht nach Patagonien” von Jana Revedin, welches mir freundlicherweise von Vorablesen und dem Aufbau Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Worin die Schwierigkeit der Rezension liegt, erfahrt ihr, wenn ihr weiterliest.


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Klappentext von der Verlagsseite:

„Ich liebe Anfänge. Anfänge erfüllen uns mit Erstaunen.“ Eugenia Errázuriz Februar 1937: Eugenia Errázuriz, die einflussreichste Kunstmäzenin der Pariser Moderne, hat die Karrieren von Coco Chanel, Pablo Picasso und Blaise Cendrars gefördert. Jetzt lädt sie den jungen jüdischen Innenarchitekten Jean-Michel Frank auf eine Reise nach Patagonien ein. Sie hat ihr gesamtes Vermögen in den Bau des ersten Grandhotels der Anden investiert, das ihn weltweit bekannt machen soll. In Wahrheit ist dieses Projekt am südlichsten Ende der Erde aber ihre gemeinsame Flucht aus Europa, das sie von Hitler und dem Nationalsozialismus bedroht sieht. Jana Revedin erzählt die Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft zwischen Paris, Patagonien, Buenos Aires und New York.

Autoreninfo von der Verlagsseite:

Jana Revedin, geboren 1965 in Konstanz, ist Architektin und Schriftstellerin. Nach dem Studium von Architektur und Städtebau in Buenos Aires, Princeton und Mailand promovierte und habilitierte sie an der Universität Venedig und ist heute ordentliche Professorin für Architektur und Städtebau an der Ecole Spéciale d´Architecture Paris. 2018 erschien ihr Bestseller über Ise Frank, „Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus“, 2020 ihr Roman “Margherita” über die Renaissance Venedigs in den 1920er Jahren, der ebenfalls zum Bestseller wurde. Sie lebt in Venedig und Wernberg in Kärnten.

Erster Satz:

Am achten Tag ihrer Überfahrt holte Jean ein neues rotes Kassenbuch aus seiner Aktentasche und legte es vor sich auf den Tisch.

Meinung:

Jana Revedin entführt uns mit “Flucht nach Patagonien”in drei Teilen in die Zeit von 1937. Es ist die Zeit des Nationalsozialismus in Europa und die bekannte Kunst-Mäzenin Eugenia Errázuriz, der es vor den Nationalsozialisten graut, versucht den jungen jüdischen Innenarchitekten Jean-Michel Frank  nach Patagonien in Sicherheit zu bringen.

Der erste Teil erzählt von der Überfahrt nach Patagonien mit dem Postschiff und erzählt hauptsächlich von Franks Leben vor 1937. Wie er Errázuriz kennengelernt hat, wie sie ihn und andere gefördert hat. Dieser Teil hat mir sehr gut gefallen, zeigt er doch die Verletzlichkeit von Jean-Michel Frank, der ein Onkel von Anne Frank ist, und gibt wunderschön, die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in Paris wieder. Außerdem werden viele berühmte Persönlichkeiten vorgestellt, denn Errázuriz fördert sie fast alle: Coco Chanel, Blaise Pascal oder Pablo Picasso. Jean-Michel Frank reiht sich dort ein und er wird ein bedeutender Innenarchitekt. So schön wie die Sprache ist, so langatmig ist auch der erste Teil. Bis ins Kleinste wird seine Profession beschrieben. Zugegeben, viele mag es interessieren, aber mich hat es stellenweise gelangweilt. Da hilft auch nicht das Namedropping oder die melodische Sprache, die auf der einen Seite so gut die Stimmung der Zeit wieder gibt und auf der anderen Seite so distanziert ist, dass einem die Charaktere einfach nicht nahekommen. Für mich ein Manko.

Der zweite Teil, auf dem ich mich nach dem schleppenden ersten Teil so gefreut hat, da das Schiff endlich in Buenos Aires und Patagonien angekommen ist, hat mich enttäuscht. Wieder unheimlich viel Namedropping, wieder viel Architektur. Alles sicher interessant, aber nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Ich hätte mir mehr Zeitgeschehen, mehr Historie gewünscht, wie die Leute denken, über den drohenden Krieg und nicht ein Name nach dem anderen. Das hat mir eindeutig gefehlt und leider wurde es auch im letzten Teil nicht besser.

Der letzte Teil erzählt von Jean-Michel Franks Leben nach 1937. Dieser Teil hätte ich sehr interessant gefunden, so war ja eine herausragende Persönlichkeit mit seinem Minimalismus in der Innenarchitektur und seiner Fluchthilfe für Juden im dritten Reich, aber er war viel zu knapp. Leider kam mir dieser Teil wie ein Bericht vor, als ob man schnell fertig werden wollte und es wurde auch nicht mit Namedropping gespart.  Dabei wird hier der Stil wieder besser, er stellenweise wieder melancholisch und ich spürte die bedrückende Stimmung, die die Nationalsozialisten und der Krieg mit sich bringen. Aber es war mir zu wenig, um mich zu überzeugen.

Gerade das Namedropping hat mich gestört. Nichts dagegen, dass die Namen erwähnt werden, wenn sie zur Handlung etwas beitragen, aber viele wurden einfach nur genannt, ohne dass sie für Frank oder Errázuriz  im Laufe der Handlung von Belang gewesen wären, oder etwas für den Fortgang der Geschichte wichtiges beigetragen hätten.

Ein Plus ist der Epilog, der mir zeigte, was aus den einzelnen Namen geworden ist und auch die Literaturliste am Ende des Buches ist interessant.

Ein Highlight ist das Cover, was eine Frau an der Reling zeigt. Es schlicht gehalten und hat mich auch direkt angesprochen und macht auch Lust auf das Buch, da ich glaubte, einen spannenden Roman vorzufinden. Stattdessen bekam ich einen gut recherchierten Roman über die berühmten lebenden Personen der Zeit, einiges an Kunstverständnis und eine Handlung, die zwar stellenweise schön erzählt war, aber mich nicht überzeugen konnte.

Fazit

“Flucht nach Patagonien” von Jana Revedin ist ein ruhiger, melancholischer und stellenweise langatmiger Roman  für Kunst- und Architekturinteressierte, aber nichts für jemanden, der sich für historische Begebenheiten aus der Zeit der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts interessiert.

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Bibliografische Angaben
Autor: Revedin, Jana Übersetzer: Titel: Flucht nach Patagonien Originaltitel:Reihe: —  Band:   — Seiten: 416 ISBN: 978-3-351-03809-0 Preis: 22,00 € (Hardcover); 16,99 € (e-book) Erschienen: 16.08.2021 bei Aufbau

 

Für die Bereitstellung des Besprechungsexemplars bedanke ich mich herzlichst bei

und

 

Eure

Kerstin

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2 Antworten auf „[Buchbesprechung] Jana Revedin – Flucht nach Patagonien“

  1. Hallo Kerstin,

    danke für deine ehrlichen Worte. Mir geht es wie dir bei so belanglos eingeworfenen Namen (oder Marken). Wenn es inhaltlich nicht relevant ist, wofür das Ganze? Warum muss ich wissen, das Person A die Personen X oder Y kannte und die Produkte von C und D nutzte? Solange es mir nicht hilft, mir ein Bild von der Person zu machen und es für die weiteren Geschehnisse im Buch irrelevant ist, haben solche Fakten keinerlei Mehrwert. Mitunter wirkt es auf mich sogar überheblich oder arrogant (je nach Kontext). In jedem Fall verdirbt es den Lesegenuss.

    1. Hallo Kathrin,
      Ich fand es einfach übertrieben mit den Namen und irgendwann hatte ich auch einfach keine Lust mehr zu den Leuten zu recherchieren. Dieses Namedropping hier nervt mich genauso wie das ewige Marken nennen bei Stieg Larsson.
      Für Architekturfans sicher toll, aber mich hat es nur noch genervt und dem Lesegenuss war es abträglich.
      Liebe Grüße
      Kerstin

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