Klappentext von der Verlagsseite:
Ostende, 1936: ein Strand, ein paar Schriftsteller und ein Sommer, wie es keinen mehr geben sollte
Ein belgischer Badeort mit Geschichte und Glanz: Hier kommen sie alle noch einmal zusammen, die im Deutschland der Nationalsozialisten keine Heimat mehr haben. Stefan Zweig, Joseph Roth, Irmgard Keun, Kisch und Toller, Koestler und Kesten, die verbotenen Dichter. Volker Weidermann erzählt von ihrer Hoffnung, ihrer Liebe, ihrer Verzweiflung – und davon, wie ihr Leben weiterging.
Stefan Zweig reist mit seiner Geliebten Lotte und der Schreibmaschine an, Joseph Roth kommt trotz Schnapsverbot, um Ferien mit seinem besten Freund zu machen und zu schreiben. Er verliebt sich ein letztes Mal: in Irmgard Keun, die bloß wegwollte aus dem Land der Bücherverbrenner. So sonderbar die Freundschaft zwischen dem Millionär Zweig und dem begnadeten Trinker Roth ist, so überraschend ist die Liebe zwischen Roth und der jungen, leidenschaftlichen Keun.
Es kommen noch mehr Schriftsteller nach Ostende. Sonne, Meer, Getränke – es könnte ein Urlaub unter Freunden sein. Wenn sich die politische Lage nicht täglich zuspitzte, wenn sie nicht alle verfolgt würden, ihre Bücher nicht verboten wären, wenn sie nicht ihre Heimat verloren hätten. Es sind Dichter auf der Flucht, Schriftsteller im Exil.
Präzise, kenntnisreich und mitreißend erzählt Volker Weidermann von diesem Sommer kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, in dem Zweig, Roth und Keun noch einmal das Leben feiern, wie es nur die Verzweifelten können.
»Weidermann ist ein exzellenter Stilist.« Die Welt
Autoreninfo von der Verlagsseite:
Volker Weidermann, 1969 in Darmstadt geboren, studierte Politikwissenschaft und Germanistik in Heidelberg und Berlin. Er ist Literaturredakteur und Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und lebt in Berlin. Von ihm erschienen bei Kiepenheuer & Witsch: Max Frisch. Sein Leben, seine Bücher (2010), Das Buch der verbrannten Bücher (2008) und Lichtjahre (2006).
Erster Satz:
Es ist Sommer hier oben am Meer, die bunten Badehäuser leuchten in der Sonne.
Aufbau:
160 Seiten umfasst “Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft” von Volker Weidermann und kommt ohne Kapiteleinteilung aus. Zum Ende gibt es die einzige Kapitelüberschrift “Mystery Train” – eine Art Nachwort und eine Danksagung, sowie ein Foto von Stefan Zweig und Joseph Roth.
Meinung:
Von den Büchern von Stefan Zweig und Joseph Roth war ich schon zu Schulzeiten begeistert und Zweigs “Schachnovelle” als auch Roths “Hiob” liebe ich heute noch. So wird es auch keinen wundern, dass ich dieses Buch von Volker Weidermann unbedingt lesen musste. Eine Begegnung von Zweig und Roth im Jahr 1936 in Ostende muss einfach faszinieren. Und das tut sie auch, denn Volker Weidermann gelingt es die Ereignisse in Ostende und die Begegnungen mit anderen Exilautoren wie ein Chronist da zustellen. Man merkt die genaue Recherche, die auch in der Danksagung deutlich wird und er hat es ohne weiteres geschafft mir nicht nur meine geliebten Stefan Zweig und Joseph Roth näher zu bringen, sondern auch noch Irmgard Keun. Eine stolze und selbstbewusste Frau, die um ihr Recht ihre Bücher zu verlegen im nationalsozialistischen Deutschland kämpfte und dann nach dem Scheitern ihres Kampfes ins Exil ging.
Immer wieder hatte ich das Gefühl bei den Gesprächen der Exilautoren dabei zu sein und Weidermann hat es mit seinem ruhigen, eindrücklichen und ohne Dialoge auskommenden Buch, geschafft mich eintauchen zu lassen in Zweigs Versuche Roth vom Trinken abzuhalten und Roths anhaltenden Hass gegen alle die ihre Bücher noch verlegt bekommen.
Zweig, der 1936 gezwungenermaßen sich um seinen Freund Roth kümmert und ihn versucht vom Trinken abzuhalten und zum Schreiben anzuhalten, ist dies ein Greuel, denn er sucht nicht die Nähe zu anderen Menschen, denn die sind ihm immer zu viel. Für ihn ist Ostende ein Zufluchtsort, ein Idyll. Bereits 1914 hat er ihn zum ersten Mal besucht und seit dem hängt sein Herz an dem Ort, dies merkt auch während des ganzen Romans. Auch nun im Jahr 1936 scheint er mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart zu leben, denn er denkt immer wieder an das Ostende von 1914. Das sein damaliger Lieblingsdichter die Gräueltaten der Deutschen im 1. Weltkrieg gegen über den Belgiern so dichterisch beschreibt, hat ihn damals entsetzt. Als ob dies sein Idol vom Sockel geholt hätte.
Faszinierend finde ich wie unterschiedlich Stefan Zweig und Joseph Roth auf die Machtübernahme reagieren. Roths Bücher wurden schon zu Beginn verbrannt und Zweig durfte, obwohl in Berlin seine Bücher verbrannt wurden, noch einige Zeit in Deutschland veröffentlichen. 1936 ist auch dies Geschichte. Aber Roth lastet ihn dies immer noch an.
Stefan Zweig ist für mich immer mehr ein Träumer, der sich in seine Welt einschließt und nicht wirklich das Geschehene überblickt. Joseph Roth hingegen sieht es und ist aufgebracht darüber. Er ärgert sich auch immer wieder über die Tatenlosigkeit von Zweig, aber ändern kann er ihn auch nicht.
Roth ist ein Rastloser, kann nicht an einem Ort leben, sondern reist von Hotel zu Hotel. Auch erfahren wir so einiges über seine Familienverhältnisse und gelinde gesagt, er ist ein Feigling und weiß sich nicht anders zu helfen, als einfach abzuhauen oder gar nicht zu antworten.
Volker Weidermann hat einen wundervollen Roman über die Exilanten geschrieben. Über einen letzten Sommer der Freundschaft. Über Menschen, von denen wir teilweise schon gehört und deren Bücher wir gelesen haben. Ich bin immer noch sprachlos und zu tiefst beeindruckt von seiner Art, diesen Autoren ein Gesicht zu geben. Er hat mir Stefan Zweig, Joseph Roth und Irmgard Keun näher gebracht, aber auch Kisch, Kester und Toller. Über einige werde ich mit Sicherheit noch Biographien suchen oder einen Teil ihrer Werke lesen.
Fazit
“Ostende. 1936 – Sommer der Freundschaft” ist grandios und wird mit Sicherheit bei mir noch so einiges Zeit nach hallen.
Buchinfo:
Volker Weidermann – Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft
Hardcover 160 Seiten
Kiepenheuer & Witsch 2014
ISBN: 978-3462046007
Preis: 17,99 €
Bewertung: