[Buchbesprechung] Nell Leyshon – Der Wald

Hallo ihr Lieben,

heute möchte ich euch ein Buch vorstellen, das mich mit seiner ruhigen Art in den Bann gezogen hat und mich vom Stil her total begeistert hat. Um welches es geht, erfahrt ihr wenn ihr weiter liest.

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Nell Leyshon - Der Wald

Klappentext von der Verlagsseite

Warschau im Zweiten Weltkrieg: Der kleine Pawel wächst wohlbehütet in einem bürgerlichen Haushalt auf. Doch als der Krieg kommt und sein Vater sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus engagiert, ändert sich alles. Die Familie lebt in ständiger Gefahr. Eines Nachts bringt der Vater einen schwer verwundeten englischen Kampfpiloten mit nach Hause, um ihn in Würde sterben zu lassen. Doch entgegen jeder Wahrscheinlichkeit überlebt der Pilot und löst damit eine Kette folgenschwerer Ereignisse aus … England, viele Jahre später: Pawel führt ein Leben als freier Künstler. Tief in sich trägt er die Erinnerung an die Erlebnisse seiner Kindheit – daran, wie er mit seiner Mutter in den Wald fliehen musste und dort Monate verbrachte, jenseits von allem, was er kannte, allein inmitten der Natur. Die Geschehnisse dieser Zeit haben beide ganz unterschiedlich geprägt und für immer aneinander gebunden; doch in der Gegenwart stellen sich Mutter und Sohn Hindernisse in den Weg, die es ihnen schwer machen, wieder zueinander zu finden …

Autoreninfo von der Verlagsseite:

Nell Leyshons erster Roman Black Dirt stand auf der Longlist des Orange Prize und auf der Shortlist des Commonwealth Prize. Ihre Theaterstücke und Hörspiele erhielten ebenfalls zahlreiche Auszeichnungen. Im EISELE VERLAG erschien zuletzt mit großem Erfolg bei Presse und Publikum Die Farbe von Milch, ihr zweiter Roman, für den sie neben James Salter und Zeruya Shalev für den Prix Femina nominiert war. Nell Leyshon wurde in Glastonbury geboren und lebt in Dorset.

Erster Satz:

Sofia hört, wie sich die Klappe des Briefschlitzes öffnet und schließt, hört das Gewicht der Briefe, wie sie auf den Boden fallen.

Aufbau:

Nell Leyshons “Der Wald” ist in drei Teile eingeteilt mit den Titeln Stadt – Wald – Kleinstadt. Jedes Kapitel umfasst noch einige Unterkapitel.  Sowohl der Prolog als auch der Epilog trägt den Namen “Zwei Briefe”.

Meinung:

“Der Wald” von Nell Leyshon ist ein eindruckvolles Werk, welches von den leisen Tönen lebt. Leyshon greift den Zweiten Weltkrieg als Rahmenhandlung auf und kommt dabei ohne blutige Gräueltaten aus. Ihr Stil ist sehr leise und unterschwellig spürt man das Grauen des Krieges.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Zofia und ihrem Sohn Pawel, die zu Kriegszeiten mit ihrer Familie in Warschau leben. Zofia ist Cellistin und ihr Mann ist im Widerstand aktiv, gerade diese Aktivität, sollte die Familie noch in Schwierigkeiten bringen.
Pawel ist noch ein kleiner Junge und versteht nicht, was draußen vor sich geht. Er ist ein kleines, verträumtes Kind. Der genaue Gegensatz zu seiner Mutter Zofia, die nachdenklich und strukturiert ist, aber auch mit der Nahrungsmittelknappheit und dem Kriegsgeschehen nicht umzugehen vermagt. Ihr Verhältnis zu Pawel ist zwiegespalten, auf der einen Seite würde sie ihn am liebsten die ganze Zeit bemuttern, auf der anderen Seite nimmt er ihr die Luft zu atmen.
Verständlich auf der einen Seite, da sie früher Bedienstete hatte, die sich um Pawel gekümmert haben. Dennoch war mir Zofias Verhalten zu ihrem Sohn sehr distanziert. Das ändert sich auch in den folgenden Kapiteln nicht, auch nicht als sie mit ihm in den Wald fliehen musste, als sich die Ereignisse in Warschau und ihrem Zuhause überschlagen.
Erst da erfährt Pawel so etwas wie Zuneigung durch die alte Frau im Wald, die sich um die beiden kümmert und mit deren Hilfe sie den Krieg überstehen.  Das Verhältnis von Mutter und Sohn wird noch schwieriger, da sich Zofia schwer mit ihrer Situation tut, weit ab von der Zivilisation zu leben. Es ist eine Gradwanderung zwischen den beiden und man spürt allzu oft wie Pawel versucht seiner Mutter näher zu kommen.
Als der Krieg vorüber ist können Zofia und Pawel nach England fliehen, sie nennen sich nun Sofia und Paul.  Der Sprung erfolgt sehr abrupt und so musste ich mich erst noch etwas hereinfinden.  Auch dort lässt sie ihre Vergangenheit nicht los, aber sie gehen beide ihren Weg. Der sie nicht näher zueinander bringt.

Gerade Pawel/Paul hat mir in seiner Charakterisierung gut gefallen, er ist vom kleinen Träumer zu einem sehr vielseitigen Mann herangewachsen, der Erfolg hat und seine Träume lebt. Die Zeit im Wald  mit der alten Frau Baba hat ihn geprägt, was man immer wieder merkt.

“Der Wald” ist ein leises Buch ohne Action und Spannung. Man könnte meinen es plätschert vor sich hin, aber gerade die vielen Gedankengänge von Zofia und Pawel vertiefen die Handlung. Man kommt den beiden näher. Am besten ist es mir bei Pawel gelungen, besonders ihn charakterisiert Leyshon sehr deutlich und ich mag seine gesamt Entwicklung. Mit Zofia hatte ich bis zum Schluss meine Probleme, obwohl sie mir nicht unsympathisch war, aber irgendwie kam sie nie so deutlich zum Vorschein wie Pawel. Vielleicht lag es auch für mich daran, dass sie sich mit der Entwicklung ihres Sohnes bis zu ihrem hohen Alter schwer tat und ihn nicht verstehen konnte oder wollte.

Die Handlung lebt von den Emotionen und dem eigenen Gedankenkino, dass sich dem Leser auftut. Es ist kein Kriegsroman, sondern ein wundervoll, leicht, ruhig und poetisch geschriebener Entwicklungsroman und eine sehr gekonnt über mehrere Jahrzehnte dargestellte Mutter-Sohn-Beziehung, die im stetigen Wandel ist.

Neben diesem poetischen Stil und den Charakteren hat mich besonders der Aufbau der Story angesprochen. Das Buch ist wie gesagt in drei Teile eingeteilt mit vielen Unterkapiteln.  Gerade diese birgen ein Geheimnis in ihrem jeweiligen Titel, das ich sehr gelungen finde.  Ist es mir doch erst im Laufe der Handlung aufgefallen.  Ein weiteres Augenmerk gehört auf den Schreibstil von Leyshon gelenkt, sie erzählt die Handlung oft in kurzen Sätzen, die einen in die Geschichte reinziehen.

Fazit

“Der Wald” ist ein poetischer, leiser Entwicklungsroman über eine Mutter-Sohn-Beziehung, der mich berührt und bewegt hat. Ein Roman zum Nachdenken und der noch lange nachklingt.

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Bibliografische Angaben
Autor: Leyshon, Nell  Übersetzer: Kuhn, Wibke Titel: Der Wald Originaltitel: The Forest Reihe: —  Band:Seiten: 263 ISBN: 978-3-96161-052-5 Preis: 22,00 € (Hardcover) Erschienen: 15.03.2019 bei Eisele

 

Für die Bereitstellung des Besprechungsexemplars bedanke ich mich herzlichst bei

und

 

Eure

Kerstin

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7 Antworten auf „[Buchbesprechung] Nell Leyshon – Der Wald“

  1. Liebe Kerstin,
    eine sehr schöne Rezension zu einem Buch, das ich schon lange im Auge habe! Die Autorin hat mit ihrem letzten Werk schon grandioses Können bewiesen. Ich werde dieses Buch im Auge behalten. Vielleicht schaffe ich es noch dieses Jahr. Mal sehen, ob es das Buch auch als HB gibt. Das ließe sich leichter in meine Leseplanung zwischenrein schieben. :-)
    GlG, monerl

    1. Hallo Monerl,
      das Buch ist wirklich sehr schön und ich kann es jedem nur ans Herz legen. Wundervoll leicht, poetisch und schön zu lesen. “Der Wald” gibt es auch als gekürzte Ausgabe als Hörbuch-CD und als ungekürzte Ausgabe bei Audible. Die ich natürlich immer empfehlen würde. Es geht nichts über ungekürzte Fassungen.
      Liebe Grüße
      Kerstin

      1. Hallo Kerstin,
        hab das Buch jetzt gehört und möchte es sehr gerne für die Challenge melden. Bin unsicher, ob ich es zu Polen oder zu England hinzurechnen soll. Wo hast du es einsortiert?
        GlG, monerl

        Leider, leider konnte mich die Geschichte überhaupt nicht überzeugen. Deine Rezi habe ich aber als Gegenpol bei mir verlinkt. :-)

  2. Das war doch das Buch worüber wir sprachen und ich schon neugierig auf deine Besprechung war?! Eine wundervolle Rezension, wobei die Geschichte selbst dann doch eher was für “meine” Kerstin ist – ich werde mir den Titel mal merken <3

    Mukkelige Grüße,
    Janna

    1. Ja, das war das Buch, Janna. Ich denke auch, dass das “deiner” Kerstin gut gefallen wird. Passt zu #widerdesvergessens.

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