[Buchbesprechung] Judith Merchant – Die Lügen jener Nacht

dielügenjenernachtKlappentext von der Verlagsseite:

Als sie zur Hochzeit ihrer Studienfreundin geladen wird, ist Mimi zunächst skeptisch – hat sie doch den Kontakt lange sträflich vernachlässigt. Doch unerwartet herzlich wird sie im alten Bonner Freundinnenkreis aufgenommen, und spätestens nach der Junggesellinnenparty im nächtlichen Römerbad ist es, als sei sie nie fortgewesen. Am Hochzeitsmorgen aber bringt ein entsetzlicher Todesfall alles ins Wanken. Misstrauen kriecht in die eingeschworene Gruppe, und langsam beschleicht Mimi ein furchtbarer Verdacht: Hat man sie nur zur Hochzeit eingeladen, um ihr einen Mord in die Schuhe zu schieben?

Autoreninfo von der Verlagsseite:

Judith Merchant studierte Literaturwissenschaft und unterrichtet heute an der Bonner Universität Creative Writing. Für ihre Kurzgeschichten wurde sie zweimal mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet. Mit „Nibelungenmord“ und „Loreley singt nicht mehr“ startete sehr erfolgreich ihre Krimireihe um Jan Seidel, die demnächst fortgesetzt wird. „Die Lügen jener Nacht“ ist Judith Merchants erster psychologischer Spannungsroman.

Erster Satz:

“George Clooney!”

Aufbau:

“Die Lügen jener Nacht” umfasst 448 Seiten, die aufgeteilt sind in 15 Kapitel, die ersten beiden sind betitelt mit “Junggesellinnenabschied” und “Zwei Wochen davor”, die nachfolgenden 13 Kapitel sind dann jeweils mit “Tag 1” usw. betitelt. Außerdem gibt es noch ein Dankeswort der Autorin.

Inhalt:

Mimi wird von ihrem Freund in Schottland verlassen und nun steht sie ohne Bleibe da. Der Anruf einer alten Kommilitonin, die sie zur Hochzeit einlädt, kommt ihr gerade Recht. Aber sie ist auch von Zweifeln geplagt, will sie da wirklich hin und wieso gerade jetzt. Denn jahrelang haben sie sich nicht mehr gesehen. Sie fliegt wieder nach Deutschland und so langsam kommt sie wieder in ihrem alten Leben an. Ihre Freunde haben sich verändert und als der Bräutigam stirbt, überlegt sie ob die Einladung nur Berechnung war…

Meinung:

Das Cover von “Die Lügen jener Nacht” geschrieben von Judith Merchant hat mich direkt angesprochen. Dieses blau und dann die Frau im roten Kleid, die im Wasser treibt. Ein echter Hingucker.
Der Klappentext sprach mich auch direkt an und dann las ich den ersten Satz. Hmmh, etwa doch ein Frauenroman und erste Zweifel zogen auf. Aber egal, einfach mal weiter lesen, vielleicht steckt doch mehr dahinter, als du denkst. Und genauso war es dann auch. Der erste Satz hatte mich nur getäuscht, mich erwartete kein reiner Frauenroman mit Liebe und Kitsch, sondern eine spannende und teilweise auch irritierende Erzählung über die junge Mimi und ihre Freundinnen, die sie jahrelang nicht mehr gesehen hat. Dann diese Hochzeitseinladung, die mir im Laufe der gesamten Handlung auch immer mehr zu denken gab. Ist das alles nur ein geschicktes Manöver von Simone, der Macherin und Bestimmerin, und Grit, die willig wie ein gut dressierter Labrador alles mit macht? Denn so manches war merkwürdig nicht nur die beiden Freundinnen und auch Alla, die irgendetwas zu verheimlichen hat, sondern auch die Tatsache, dass Mimi sich nicht mehr so richtig an ihre Freundinnen erinnern kann. Erinnern an früher, Erinnern an Studentenzeiten fällt ihr unheimlich schwer. Was war damals? Diese Frage stellte ich mir immer wieder, um auch nicht völlig durcheinander zu kommen. Denn alles wurde aus Mimis Perspektive geschildert und bei Mimi war ich mir manchmal echt nicht sicher, ob sie träumt, spinnt oder es doch fiktionale Realität ist was da passiert. So irritiert wie Mimi war auch ich im Laufe des Geschehens und einzig Nina, die Braut war mir sympathisch, auch wenn sie eine kleine Rolle im großen Ganzen nur spielte.
Erst im Zuge des Mordes wird die Handlung spannender und aus dem befürchteten Frauenroman, wird ein Spannungsroman mit starkem psychologischen Touch. Wie auch Mimi begann ich alles zu hinterfragen nicht nur die Begebenheiten, sondern auch die Art und Weise wie ihre Freundinnen handelten. Immer öfter stellte ich mir die Frage, wer spielt falsch und ich tappte auch noch lange Zeit im Dunkeln. Die Motive eines jeden Einzelnen werden mit der Zeit deutlicher und so bald man eine Vermutung hat, wie oder wer es gewesen sein könnte, kommt wieder etwas anderes.
Judith Merchant hat es geschafft bis zum Schluss die Spannung aufrecht zu erhalten und dann doch etwas abrupt zum Ende zu kommen. Gerade das Ende hat mich irritiert und war wieder etwas gewöhnungsbedürftig. Allerdings wird gerade mit dem Ende deutlich, wieso Mimi so ist wie sie ist.

Fazit

“Die Lügen jener Nacht” von Judith Merchant ist eine Mischung aus Frauenroman, psychologischen Spannungsroman gewürzt mit schwarzem Humor und einer Handlung, bei der man als Leser dran bleiben muss.

Buchinfo:
Judith Merchant – Die Lügen jener Nacht
Quality Paperback 448  Seiten
Droemer Knaur 2014
ISBN-13: 978-3-426-51627-0
Preis: 14,99 €

Bewertung:

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Kate Atkinson – Die Unvollendete

C_Atkinson_Die UnvollendeteKlappentext von der Verlagsseite:

Was wäre, wenn man sein Leben wieder und wieder leben könnte, bis man schließlich alles perfekt gemacht hätte? Wäre man dann ein glücklicher Mensch? Ursula Todd ist eine für ihre Zeit ganz besondere Frau: unabhängig, modern, realistisch. Mit Humor begegnet sie nicht nur ihrer skurrilen Familie, sondern auch den seltsamen Ereignissen in ihrem Leben. Wie jeder erlebt sie Situationen, in denen sie sich fragt: Was wäre, wenn? Was wäre geschehen, wenn sich ihre Teenagerliebe erfüllt hätte? Was wäre geschehen, wenn sie studiert hätte? Oder was wäre aus ihr geworden, wenn sie nicht in England, sondern in einem anderen Land aufgewachsen wäre? Wäre ihr Leben schrecklicher oder besser verlaufen? Doch anders als anderen Menschen bleibt es für Ursula nicht bei diesen Fragen. Ihr ist es gegeben, ihr Leben immer wieder zu korrigieren und damit jeden Fehler zu beseitigen. Dennoch erlebt sie Verlust, Verrat, Krieg und Tod. Was also soll diese Gabe? Ist es überhaupt möglich, sein Leben fehlerlos zu leben?

Autoreninfo von der Verlagsseite:

Kate Atkinson, 1951 geboren, studierte Literaturgeschichte in Dundee. Neben ihrer Arbeit in der Sozialbetreuung und als Teilzeitlehrerin begann sie zu schreiben. 1996 erhielt sie für ihren Roman “Familienalbum” den angesehenen Whitbread First Novel Award. Es folgten die Romane “Ein Sommernachtsspiel”, “Die Ebene der schrägen Gefühle”, “Die vierte Schwester”, “Liebesdienste” und “Lebenslügen” sowie ein Band mit Erzählungen (“Nicht das Ende der Welt”). Kate Atkinson lebt in Edinburgh.

Erster Satz:
Ein Mief aus Tabakrauch und feuchtkalter Luft schlug ihr entgegen, als sie das Café betrat.

Inhalt:

Ursula Todd wird an einem kalten Dezembertag des Jahres 1910 geboren und stirbt kurz nach der Geburt. Dieses Ereignis wiederholt sich viele Male und bei einem kommt der Arzt noch rechtzeitig und Ursula überlebt. Aufwachsen tut dieses besondere Mädchen mit mehreren Geschwistern mit ihren Eltern auf einen Gut in England des 20. Jahrhunderts. Im Laufe der Geschichte begleitet man Ursula durch ihre Jugend bis hin zu ihrem 67. Lebensjahr. Und immer wieder steht sie im Laufe ihres Lebens an einen Scheideweg und wie wird sie sich entscheiden?

Aufbau:

Die Hardcoverausgabe umfasst 585 Seiten und ist in 12 Teile aufgeteilt, die jeweils noch einige Unterkapitel erhalten. Die Teile und Unterkapitel sind unterschiedlich lang, mal nur wenige Seiten, dann wieder ausufernd. Ein jeder Teil hat eine eigene Überschrift und den jeweiligen Unterkapiteln ist das Datum der Handlung zugeordnet. Teile der einzelnen Kapitel wiederholen sich später noch einmal. Am Ende des Buches gibt es noch eine Danksagung der Autorin.

Meinung:

“Was wäre, wenn” – das fragt sich doch jeder einmal und wünscht sich unter Umständen auch einen anderen Weg eingeschlagen zu sein. Ursula Todd, Kate Atkinsons Protagonisten in “Die Unvollendete”, erlebt diese Möglichkeit immer wieder. Stirbt sie in einer Situation, sei es im Krieg oder bei einem Kuss, kommt sie immer wieder zum Ausgangspunkt der Szene zurück und kann einen anderen Weg einschlagen um nicht zu sterben.
Mit diesem Kunstgriff, der sich durch das gesamte Buch zieht, erfährt der Leser viel vom Leben der Ursula Todd und der Geschichte des vergangenen 20. Jahrhunderts. Man begleitet Ursula durch den Ersten Weltkrieg, erlebt mit wie sie einen Tag nach ihrem sechzehnten Geburtstag vergewaltigt wird und auch wie sie Hitler begegnet. Zu jedem dieser Zeitpunkt spielt die “Was wäre, wenn”-Frage mit und Ursula kann ihren jeweiligen Lebensabschnitt noch mal und noch mal erleben, bis sie auch diesem heil überstanden hat.
“Die Unvollendete” besticht durch ihre Protagonistin, mit der man von der ersten Zeile an mitleidet: Wird sie es nun richtig machen? Wird sie glücklich? Kommt sie heil daraus? Oder geht es doch wieder anders aus. Jedes Mal wenn es nicht gut endet, leidet man als Leser und fragt sich, wird sie es beim nächsten Mal besser machen?
Gerade auch Kate Atkinsons Stil mit wenigen Zeilen eine ganze Beziehung, eine ganze Situation darzustellen und zu erfassen, macht dieses Buch so lesenswert. Auch, wenn man durch den Schreibstil schnell in die Handlung eintaucht und mit Ursula das ländlich England der 20er und 30er Jahre erkundet, oder mit ihr während des Zweiten Weltkriegs in London oder in Deutschland auf dem Obersalzberg oder in Berlin, immer hält man als Leser inne und denkt über Ursulas Situation nach. Es ist kein Buch zum einfach durch lesen, denn immer wieder bleibt man hängen und fragt sich hätte man selbst auch so reagiert.
Man hofft und bangt mit ihr, aber auch mit den Nebencharakteren, die einen im Laufe der Handlung immer mehr ans Herz wachsen und allzu oft hofft man, dass ihnen auch das Glück beschieden ist ihr Leben noch einmal zu leben.
Ein Buch über das Leben, Liebe, Familie und die Frage nach dem “Was wäre, wenn” hat Kate Atkinson mit “Die Unvollendete” geschaffen, das man nicht so leicht vergisst und in guter Erinnerung behält.

Fazit

Ein wundervolles tiefgreifendes Buch über ein Leben, das niemals perfekt ist.

Buchinfo:
Kate Atkinson – Die Unvollendete (Life after Life)
Hardcover 592 Seiten
Droemer Knaur 2013
ISBN-13: 978-3-426-19981-7
Preis: 19,99  €

Bewertung:

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Robert Löhr – Erika Mustermann

erikamustermannKlappentext von der Verlagsseite:

Eine liebevolle literarische Abrechnung mit der Politik 2.0.

Friederike (Grüne) verabscheut die Piraten: Raubkopierer, Rollenspieler und Einzelgänger, die sich den Teufel um die Umwelt scheren, solange das Netz nur frei bleibt. Also startet sie einen Feldzug gegen die Piratenpartei. Ihr erstes Opfer: Volker Plauschenat, der harmloseste der 15 Berliner Abgeordneten. Aber je tiefer Friederike in dessen Keller nach Leichen buddelt, desto mehr lernt sie das piratische Paralleluniversum schätzen. Und als sie erst ihr Herz an einen dieser Freaks verliert, wird es verdammt schwer, wieder von Bord zu gehen …

Mit »Erika Mustermann« gelingt Robert Löhr zweierlei: ein geschliffenes Portrait von Parlamentariern und Basis in der Hauptstadt der Orientierungslosigkeit. Und der erste Roman über eine Partei, die entweder das langersehnte Update des Systems ist – oder das hellste politische Strohfeuer unserer Zeit.

Autoreninfo von der Verlagsseite:

Robert Löhr, geboren 1973, ausgebildeter Journalist und Drehbuchautor, lebt in seiner Geburtsstadt Berlin. Neben zahlreichen Filmskripten und Theaterstücken verfasste er die Romane »Der Schachautomat«, »Das Erlkönig-Manöver« , »Das Hamlet-Komplott«, »Krieg der Sänger« und »Erika Mustermann«. Seine Bücher sind in 25 Sprachen übersetzt.

Erster Satz:
Who killed Facebook? war mittlerweile bnei 3 460 726 Klicks.

Inhalt:

Friederike Wolf, Lehrerin und Bündnisgrüne, erlebt wie die Piratenpartei am 18. September 2011 zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses mehr Stimmen erhält als ihre Partei. So etwas kann doch gar nicht sein und dann ist auch noch Volker Plauschenat, dieser dreiste Urheberechtsverletzer, einer der fünfzehn neu gewählten Piratenabgeordneten. Friederike sinnt auf Rache und verbringt ihre knapp bemessene Freizeit als alleinerziehende Mutter einer Tochter damit genug Material über Volker Plauschenat zusammen zustellen, dass schließlich ihn und so hofft sie, auch seine Partei zu Fall bringen wird. Sie geht sogar so weit, dass sie Mitglied bei den Piraten wird. Sie erkennt, dass es dort nicht nur Nerds gibt und verliebt sich sogar in einen Piraten. Immer mehr lernt sie die unverblümte, frische Art der Piraten zu schätzen, die ihrer Partei mittlerweile abhandengekommen ist.

Aufbau:

Die broschierte Ausgabe ist aufgeteilt in drei Teile: Kaltstart, Standby und Neustart. Im Anschluss an den Roman gibt es eine Danksagung und einen Disclaimer. Gespickt ist das Buch mit Auszügen aus Wikipedia-Artikel, Twitter-Meldungen und Briefen.

Meinung:

Bereits das schwarze Cover mit dem Totenkopfsymbol aus Blumen zeigt einen Bezug zwischen Piraten und Grünen. Auch hat mich der Titelschrift zunächst an einen Stephen King Roman erinnert. Das Cover ist gut gemacht und hat direkt mein Interesse geweckt.

Wer kennt sie nicht die Piraten? Seit ihren ersten Auftritten auf der politischen Bühne stehen sie unter Beobachtung. Können die überhaupt Politik, fragt man sich immer wieder. Sie wollen anders sein als die etablierten Parteien und diese Andersartigkeit beschreibt Robert Löhr in seinem Roman “Erika Mustermann” gekonnt. Teilweise bedient sich Löhr allgemeinen Klischees, die man als Leser genauso wie seine Protagonisten Friederike hat, und bildet daraus ein gutes Bild über das Innenleben und den Wandel der Partei ab, zunächst der Zusammenhalt und aber auch wie sich langsam im Politikbetrieb selbst zerstören. Gerade die Bereitschaft die Basis überall miteinzubinden, birgt Gefahren, dies erfährt man auch Robert Löhrs Protagonist Volker Plauschenat am eigenen Leib. Nirgendswo wird so schnell hochgejubelt und auch wieder niedergerungen wie in dem Buch. Dank Facebook, Twitter und den Livestreams im Internet weiß die Basis immer genau Bescheid: Anerkennung und Ablehnung erfolgt dann auf dem Fuße.

Dies alles bringt Robert Löhr mit einer gehörigen Portion Humor und Witz dem Leser näher. “Erika Mustermann” ist unterhaltsam geschrieben und sehr oft habe ich mich gefragt, ob dies nun nur reine Satire oder nicht auch ein stückweit ernst gemeint ist. Erkennbar ist jedenfalls, dass die vollständige Transparenz der Piratenpartei zumindest bei Löhrs Protagonisten Plauschenat zu Veränderungen führt.

Zu dem witzigen Schreibstil passen auch die gut gezeichneten und überzeugend agierenden Protagonisten. Allen voran Friederike, die sich nicht so leicht unterbuttern lässt und ihre eigenen Ziele verfolgt. Dabei sei es mal dahingestellt, ob dies wirklich so sein muss. Auch der zweite Hauptprotagonist Volker Plauschenat wurde gut charakterisiert, hat man zunächst noch den Eindruck einem Nerd vor sich zu sehen, der sich für Computerspiele und die Veranstaltung von Steampunk-Rollenspiel interessiert, so wird er im Laufe des Romans vielschichtiger und auch für mich persönlich begreifbarer.

Fazit

“Erika Mustermann” ist ein unterhaltsamer und witziger Roman, der einen in die Welt und Denkweise der Piraten entführt.

Buchinfo:
Robert Löhr – Erika Mustermann
Broschiert 272 Seiten
Piper-Verlag 2013
ISBN-13: 978-3-492-05452-2
Preis: 16,99  €

Bewertung:

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