morgen ist der erste Tag der Leipziger Buchmesse, die vom 15. bis 18. März ihre Tore öffnet und ein vielfältiges Programm bietet. Neben der eigentlichen Messe, Leipzig liest, der Verleihung des Leipziger Buchpreises, hat die Messe auch in diesem Jahr wieder ein Gastland: Rumänien. Da ich auch dieses Mla nicht dabei sein kann, möchte ich euch gerne Literatur vorstellen, die entweder von rumänischen Autoren veröffentlicht wurde oder die in Rumänien spielt. Ich wünsche euch viel Spaß dabei.
Nun ist sie raus die Longlist zum Deutschen Buchpreis 2014. 20 Bücher hat die 7-köpfige Jury aus den 176 eingereichten Büchern ausgewählt, die nun noch auf eine Shortlist von 6 Büchern reduziert wird. Verliehen wird der Deutsche Buchpreis am 6. Oktober im Kaisersaal des Frankfurter Römers zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse. Der diesjährige Ehrengast der Buchmesse ist Finnland.
Ein ganz gewöhnlicher Mensch, sein ganz gewöhnliches Leben und sein ganz gewöhnliches Ende. Aber nichts an dieser Geschichte in Lukas Bärfuss` neuem Roman will uns gewöhnlich scheinen. Denn das erzählte Ende ist ein Suizid, und der ihn verübt hat, ist sein Bruder. Auch wenn die Statistik sagt, dass für die Menschen zwischen zwanzig und vierzig Jahren Suizid die zweithäufigste Todesursache überhaupt ist, hilft das niemandem in seinem individuellen Schicksal. Die Fragen, die sich unweigerlich stellen, finden nicht zu Antworten, die denen, die zurückbleiben, wirklich Trost spenden. Bärfuss spürt dem Schicksal des Bruders nach, über das er zunächst wenig weiß. Und er begegnet einem großen Schweigen. Das Thema scheint von einem großen Tabu umstellt. Und von einem Geheimnis. Warum nannten seine Freunde ihn Koala? Wie kam er zu diesem Namen? Und hat vielleicht der Name gar das Schicksal des Bruders mitbestimmt; wird ein Mensch seinem Namen ähnlich? Die Geschichte der Tierart in Australien, die heute vor der Ausrottung steht, gerät in den Blick des Autors, und so ist das Buch auch eine Natur-Geschichte über den Umgang des Menschen mit dem anderen Menschen, mit dem Tier, mit Gewalt überhaupt.
Simone Grolmann ist 52, etabliert und angesehen, Professorin für Verhaltensforschung, Mutter einer Tochter, ein analytischer Mensch. Und doch hat sie Angst. Angst vor Schnee. Die Angst ist tief in ihr, versunken wie der Breslauer Wald, durch den ihr Vater, sein behinderter Bruder Emil und Lilly, die Mutter der beiden, in der Nacht vom 19. auf den 20. Januar 1945 stapften, bei minus 21 Grad: drei Menschen mit drei durchweichten Pappkoffern. 17 Jahre vor Simones Geburt war das, und doch ist es ihre eigene Angst.
Artur führt eine unspektakuläre, in geordneten Bahnen verlaufende Ehe mit der Mittelschullehrerin Rita, jobbt, obwohl Akademiker, in einem Kopierzentrum und als Nachhilfelehrer und ist ganz allgemein nicht sonderlich ehrgeizig oder anspruchsvoll. Bis eines Tages eine gewisse Alice den Copyshop betritt und eine Notiz hinterlässt …
Was nun ins Rollen kommt, ist eine Zeit lang ausgesprochen komisch, aber diese Komik nimmt unversehens immer düsterere, schließlich grauenhafte, wie einem Splattermovie entsprungene Formen an, und die bisher so satten und zufriedenen, vielleicht sogar glücklichen Romanfiguren sehen sich unausweichlich in Handlungen verstrickt, die weder sie sich selbst noch die Leser ihnen jemals zugetraut hätten.
Eine Dokumentarfilmerin dreht auf Uusimaa ihren einzigen Naturfilm. Im heißesten Februar seit Menschengedenken trifft eine amerikanische Studentin in Berlin auf eine rätselhafte Chorgruppe. In Brüssel verlässt ein junger Filmemacher Frau und Kind. Franz Friedrich nimmt uns mit in eine einsame Waldhütte, auf einen finnischen Eisbrecher und in das Innere eines abstürzenden Flugzeugs. Und plötzlich, nach zwei Jahrzehnten unerklärbarer Stille, fangen die Meisen auf der Insel Uusimaa wieder an zu singen. Die Konturen einer Zukunft blitzen auf und die Zerwürfnisse unserer Zeit werden sichtbar. Dieser Debütroman legt vorsichtig eine neue Wirklichkeit über unsere alternativlos erscheinende Gegenwart.
Die Pfaueninsel in der Havel ist ein künstliches Paradies. In seinem opulenten, kundigen und anrührenden Roman erzählt Thomas Hettche von dessen Blüte, Reife und Verfall aus der Perspektive des kleinwüchsigen Schlossfräuleins Marie, in deren Lebenslauf sich die Geschichte eines ganzen Jahrhunderts verdichtet. Es mutet an wie ein modernes Märchen, denn es beginnt mit einer Königin, die einen Zwerg trifft und sich fürchterlich erschrickt. Kaum acht Wochen nach dieser Begegnung auf der Pfaueninsel, am 19. Juli 1810, ist die junge Königin Luise tot – und der kleinwüchsige Christian und seine Schwester Marie leben fortan weiter mit dem entsetzten Ausruf der Königin: »Monster!« Damit ist die Dimension dieser Geschichte eröffnet. Am Beispiel von Marie, die zwischen den Befreiungskriegen und der Restauration, zwischen Palmenhaus und Menagerie, Gartenkunst und philosophischen Gesprächen aufwächst und der königlichen Familie bei deren Besuchen zur Hand geht, erzählt Thomas Hettche von der Zurichtung der Natur, der Würde des Menschen, dem Wesen der Zeit und der Empfindsamkeit der Seele und des Leibes. Dabei geht es um die Gestaltung dieses preußischen Arkadiens durch den Gartenkünstler Lenné und um all das, was es bevölkerte: Palmen, Kängurus und Löwen, Hofgärtner, Prinzen, Südseeinsulaner, Riesen, Zwerge und Mohren – und es geht um die Liebe in ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen. Thomas Hettche ist das Kunststück gelungen, mit dem historisch verbürgten Personal seiner Geschichte von uns Heutigen zu erzählen. Atmosphärisch, detailgetreu und voller Lust an der phantasievollen Ausschmückung.
Alte Fabriken, ärmliche Häuser, aber auch unverhoffte Streifen von Wildnis: eine Landschaft an der Grenze zwischen Stadt und Land, bevölkert von aus ihren Ordnungen gefallenen Menschen, wie sie das wahre Leben am Rande jeder Metropole prägen. In neun Etappen eines Spaziergangs in der Gegend um den River Lea im Osten Londons verfolgt Esther Kinsky die sich überlagernden Spuren persönlicher Geschichte und urbaner Historie dieser Flusslandschaft und nutzt die Wildnis des Marschlands als Freiraum für Erinnerung und Reflexion. Der River Lea wird zur Grenzmarkierung und zugleich zu einem Wegweiser: Erfahrung und Wahrnehmung finden an ihm eine Schranke und ein Ziel. »Am Fluß« ist ein Buch über das Sehen, über Erkenntnis durch Betrachtung, in dem Esther Kinsky die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der Sichtbarmachung von Welt neu stellt.
»Klüssendorfs Mädchen ist eine Heldin unserer Zeit« (Die Zeit) – und nun wird es erwachsen.
Die Kindheit ist vorüber, aber erlöst ist das Mädchen deshalb noch lange nicht. Nach ihrem hochgelobten Roman »Das Mädchen« schreibt Angelika Klüssendorf die Geschichte ihrer jungen Heldin fort. Ihr Weg führt aus einer Jugend ohne Jugend in ein eigenes Leben – das den Umständen abgetrotzt werden muss. Am Anfang stehen ein Koffer mit ihren spärlichen Habseligkeiten und ein Zimmer zur Untermiete. Das Mädchen, das sich mittlerweile April nennt – nach dem Song von Deep Purple –, hat die Zeit im Heim hinter sich, die Ausbildung abgebrochen und eine Arbeit als Bürohilfskraft zugewiesen bekommen. Zwischen alten Freunden und neuen Bekannten versucht sie sich im Leipzig der späten 70er-Jahre zurechtzufinden, stößt dabei oft an ihre eigenen Grenzen und überschreitet lustvoll alle, die ihr gesetzt werden, am Ende mit ihrer Ausreise auch die zwischen den beiden Deutschlands. Aber jedem Ausbruch folgt ein Rückfall, jedem Glücksmoment eine Zerstörung, jedem Rausch die Ernüchterung. Und immer ist da die Frage nach den Kindheitsmustern, der Prägung durch die verantwortungslose Mutter und den alkoholkranken Vater. Angelika Klüssendorf ist ein weiteres Meisterwerk gelungen. Ohne Pathos, nüchtern und souverän erzählt sie von einem Weg aus der scheinbar ausweglosen Vergangenheit – mit psychologischem Feingefühl und klarem Blick für die gesellschaftlichen Zustände. Es entsteht ein Doppeltes: ein erschütternder Adoleszenzroman und ein nüchternes Porträt der sozialen Zustände im untergegangenen real existierenden Sozialismus – und im West-Berlin der frühen 80er-Jahre.
Winston Churchill und Charlie Chaplin – zwei Giganten der Weltgeschichte, so unterschiedlich wie nur möglich und doch enge Freunde. Der eine schuf als weltberühmter Komiker das Meisterwerk “Der große Diktator”, der andere führte mit seinem Widerstandswillen eine ganze Nation durch den Krieg gegen Adolf Hitler. Michael Köhlmeier hat mit dem Blick des großen, phantasievollen Erzählers erkannt, was in diesem unglaublichen Paar steckt: die Geschichte des 20. Jahrhunderts zwischen Kunst und Politik, Komik und Ernst. Der arme Tramp und der große Staatsmann, in diesem verblüffenden Roman des berühmten Autors aus Österreich erleben sie die Geschichte des Jahrhunderts.
Georg rennt – um sein Glück, seinen Verstand und sein Leben.
Der Schlaueste ist Lehrling Georg Röhrs nicht. Doch er hat einen Traum: Liftboy in einem Hotel am Meer will er werden, mit seiner verschwundenen Jugendliebe Marlies den Nachtzug nehmen und aus der heimatlichen Enge fliehen. Als Georg über eine Leiche stolpert und unbeabsichtigt den Schwarzgeldkoffer seines Meisters entwendet, überstürzen sich die Ereignisse: An einem einzigen Wochenende verliert er Wohnung, Arbeit, Eltern, Freunde, Geld, Liebe und vielleicht ein Stückchen seines Verstandes – und doch steht am Ende dieser halsbrecherischen Jagd eine neue, ungeahnte Freiheit…
Martin Lechner ist ein turbulentes, atemloses Romandebüt gelungen, das Provinzkomödie mit literarischer Virtuosität verbindet.
Ein Vulkanausbruch auf Island legt den europäischen Luftverkehr lahm, Zehntausende Menschen stranden an den Flughäfen. Während die Bilder der Aschewolke um die Welt gehen, steht über der Themse ein strahlend blauer Frühlingshimmel. Die Stadt wirkt wie abgeschnitten vom Rest der Welt. Auf der London Bridge begegnet die Erzählerin einem jungen Mann mit einem Feuermal im Gesicht. Jonathan verkauft die Obdachlosenzeitung. Er ist von der Südküste hierher geflüchtet, wo das Meer sich nimmt, was ihm nicht zusteht. Die beiden sind einander eigenartig vertraut. Sie teilen Verletzungen – den frühen Verlust des Vaters – und Hoffnungen, und allmählich, mit jedem Treffen ein wenig mehr, gehen die vergessenen Geheimnisse des einen in den anderen über. Dann aber verschwindet Jonathan ebenso plötzlich, wie sie einander begegnet sind, die Flugzeuge kehren zurück. Als der Frühling sich seinem Ende nähert, macht die Erzählerin sich auf die Suche, nach Jonathan, nach sich selbst.
Ein zutiefst bewegender Roman über die eruptive Kraft der Erinnerung, die Suche nach der verlorenen Zeit. Über das Wiederfinden der eigenen Geschichte in einem anderen Menschen.
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