[Buchbesprechung] Jonas Winner – Das Gedankenexperiment

Winner_Das Gedankenexperiment_28105-5Klappentext von der Verlagsseite:

Plötzlich steht der ehrgeizige junge Philosoph Karl Borchert vor dem Nichts. Kurz vor seinem dreißigsten Geburtstag scheitert das Projekt, mit dem er sich endgültig in der Wissenschaft etablieren wollte. Da kommt es ihm gerade recht, dass der hinfällige alte
Professor Leonard Habich ihm anbietet, sein Privatsekretär zu werden. Habich will endlich ein bahnbrechendes Werk zum Abschluss bringen, an dem er seit Jahrzehnten arbeitet. Doch über dieses Vorhaben schweigt er sich aus, und als Borchert auf Habichs abgelegenem Wohnsitz unweit von Berlin eintrifft, geschehen von Anfang an merkwürdige Dinge …

Autoreninfo von der Verlagsseite:

Jonas Winner, geboren 1966 in Berlin, promovierter Philosoph, arbeitete nach dem Studium in Berlin und Paris als Journalist, Redakteur für das Fernsehen und als Drehbuchautor (ARD, ZDF, Sat.1). Sein Fortsetzungsthriller „Berlin Gothic“ sorgte im Netz für Furore. 2012 konnte er mit „Der Architekt“ im Knaur Taschenbuch einen großen Erfolg feiern. Der Autor lebt mit seiner Familie in Berlin.

Erster Satz:

“Willst Du, oder soll ich.”

Aufbau:

“Das Gedankenexperiment” umfasst 400 Seiten aufgeteilt in zwei Teile. Der erste Teil enthält 37 Kapitel und der zweite Teil 17 Kapitel. Außerdem gibt es einen Prolog, Epilog, Nachwort und Quellenangaben. Vor dem Prolog gibt es noch die Frontispiz von Albrecht Dürers Melancholia II.

Inhalt:

Karl Borchert, ein junger aufstrebender Philosoph, steht vor dem nichts, sein Experiment ist von der Forschungsgemeinschaft abgelehnt worden und nun ist er auch seine Assistentenstelle an der Universität los. Vor dem Nichts stehend und an sich zweifelnd nimmt er das Angebot seines Professors, für den bekannten Philosophen Leonard Habich zu arbeiten, an. Die Sichtung, Verwaltung und Aufbereitung der Unterlagen Habichs soll er auf Habichs Schloss in Urquadt an. Schon in seiner ersten Nacht wecken ihn schreckliche Laute, die ihn nicht mehr ruhen lassen und auch die Unterlagen Habichs irritieren ihn. Vieles kommt ihn mysteriös und verrückt vor, vor allen dann, wenn Habich von einem baldigen Durchbruch redet. Was meint er damit?

Meinung:

Zunächst dachte ich, dass mich mit Jonas Winner Buch “Das Gedankenexperiment” einen Kriminalroman beziehungsweise eine spannende Erzählung erwarten wird. Weder das eine noch das andere war es, aber “Das Gedankenexperiment” war spannend und hat mich immer wieder zum Nachdenken gebracht.

Denn in erster Linie ist “Das Gedankenexperiment” ein philosophischer Wissenschaftsthriller, eine Gruselgeschichte und auch ein philosophischer Roman. Letzteres hat mir bei den vielen Gedankengängen, die sowohl Leonard Habich als auch Karl Borchert an den Tag legen, gelegentlich überfordert. Sehr oft musste ich nachschlagen, was nun gemeint sein könnte. Auch wenn die erwähnten Philosophen Heidegger, Seneca, Wittgenstein und Galilei als auch die Spieltheorie und Sprachtheorie ein klitzkleines bisschen vertraut sind aus der Vergangenheit, so hat mich gerade manchmal diese brachiale Gewalt an philosophischer Information überwältigt.

Aufgelockert wird der stetige philosophische Diskurs durch die Berichte der Urquardt-Kommission und fiktiven Buchausschnitten. Da sind dann die Momente, wo die durch Winner erzeugte “Gedankenspirale” aufgelockert wird.
Je weiter ich in dem Buch gekommen bin, desto mehr habe ich mich auch gegruselt. Denn aus dem stark philosophischen Buch wurde eine Gruselgeschichte, die Jonas Winner sehr gut dargestellt hat. Sei es mit den Experimenten von Habich oder Winner, dem eigenartigen Hausdiener oder den schrecklichen Lauten. Alles Elemente der Schauergeschichten und auch sehr passend in die Handlung eingeflochten. Hatte mich die Philosophie noch abgeschreckt, so hat mich gerade diese Schauerelemente am Lesen gehalten. Nun wollte ich endlich wissen, woher die merkwürdigen Laute stammen, was Habich mit den Experimenten vor hatte und wie der Prolog zu den Handlungsweisen auf Schloss Urquardt passt. Der Zusammenhang wurde mir erst wesentlich später klar, vielmehr erst im letzten Viertel der Handlung.

Auch spielt die Frontispiz eine wichtige Rolle in dem Buch und während des Lesens habe ich mir immer wieder das Bild der Melancholia II angeschaut und nach Hinweisen gesucht.
Grundlage des Gedankenexperiments von Habich sind die drei skeptischen Paradigmen von Platon, Descartes und Wittgenstein. Dabei geht es immer um die Täuschung. Ist Platons “Sein” eine Täuschung? Oder sind es die “Sinneseindrücke” von Descartes oder die “Sprache” von Wittgenstein?  Gibt es ein viertes Paradigma der Täuschung an der Habich arbeitet? Gibt es eine ideale Sprache? Diese philosophischen Fragen erörtert Winner im Laufe des Buches und je mehr ich gelesen habe, desto mehr fragte ich mich, was ist bei Borchert bereits Wahn oder Täuschung oder ist es doch alles real, was er lebt? Immer wieder fragte ich mich, ist Borchert die ganze Zeit getäuscht worden, sein ganzes Leben lang? Denn Täuschung könnte man als das Grundthema des Buches ansehen.
Bis zum Ende hin bin ich nicht aus der Geschichte schlau geworden, aber es hat mich fasziniert und einen Bereich der Philosophie gezeigt, der mir bisher gänzlich unbekannt war.

Fazit

“Das Gedankenexperiment” von Jonas Winner ist nicht nur ein philosophischer Wissenschaftsthriller, sondern auch eine Gruselgeschichte. Ein Buch für alle, die gerne in die Welt der Philosophie eintauchen.

Buchinfo:
Jonas Winner – Das Gedankenexperiment
Hardcover 400  Seiten
Droemer Knaur 2014
ISBN-13: 978-3-426-28105-5
Preis: 19,99 €

Bewertung:

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[Aktion] Gemeinsam Lesen #79

Gemeinsam Lesen 2Eine gemeinsame Aktion von Weltenwanderer und Schlunzen-Bücher, ins Leben gerufen von Asaviels Bücher-Allerlei
1. Welches Buch liest du gerade und auf welcher Seite bist du?

Zur Zeit lese ich “Das Gedankenexperiment” von Jonas Winner und ich bin auf Seite 110 angekommen:

978-3-426-28105-5_Druck

2. Wie lautet der erste Satz auf deiner aktuellen Seite?

Karl?

3. Was willst du unbedingt aktuell zu deinem Buch loswerden? (Gedanken dazu, Gefühle, ein Zitat, was immer du willst!)

“Das Gedankenprinzip” ist ein philosophisches Buch. Dabei geht es auch viel um Sprachtheorie und woher unsere Sprache kommt. Was sich nun anhört wie ein Sachbuch ist viel mehr ein Wissenschaftskrimi mit einem philosophischen Hintergrund. Letzterer hat mich schon etwas gefordert, denn bereits in den ersten 110  Seiten ist mir die Spieltheorie, aber auch Seneca, Wittgenstein und Galilei begegnet.  Manches ist abstrakt, manches ist gut verständlich. Aber vor allen Dingen interessiert mich zur Zeit, was Leonard Habich vor hat und wie sich Borchert weiter entwickelt.
Borchert kommt bei mir auf den ersten paar Seiten nicht gut weg. Er ist mir zu Ich-Bezogen und auch viel zu sehr in seinem Fach eingebunden, dass er auch nicht so liebt, wie es sein sollte. Irgendwie hadert er immer mit der Philosophie.
Leonard Habich ist auch etwas wunderlich, denn er hat ein Diagramm gemalt, in dem man Dürers Melancholia I erkennen kann. Das mich so fasziniert, dass ich da erst mal nachschlagen musste bei Wiki. Jonas Winner hat dies sehr gut eingeflochten und nun bin ich gespannt, inwieweit die Melancholia I noch eine Rolle spielen wird.

4. Kannst du dich dran erinnern, welches das erste Buch war, dass du jemals selbst gelesen hast? Fing deine Buchleidenschaft schon direkt mit diesem ersten Buch an?

Oh je, mein erstes selbst gelesene Buch. Da muss ich überlegen. Ich denke es war dieses hier:

julius

Es ist Schreibschrift geschrieben und damals für mich sehr gut zu lesen. Mit dem Buch fing auch meine Leseleidenschaft an, da war ich wohl so knapp sieben Jahre alt. Später wurde sie mal unterbrochen, aber ganz aufgehört hatte sie nie. Sie war halt mal nur schwächer oder stärker.

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